Was genau ist PSSM 2?

P2, P3, P4, P8, Px und K1

Die Abkürzung PSSM 2 wird heute als Sammelbegriff für eine Reihe von muskulären Veränderungen beim Pferd verwendet. Obwohl der Name eine Störung des Zuckerstoffwechsel beschreibt (Polysaccharid-Speicher-Myopathie), haben die hier zusammengefassten Mutationen andere Ursachen. Wie unter Geschichte beschrieben, bewirkt PSSM1 eine Erhöhung der Glykogenmenge in den Muskelzellen. PSSM 2 dagegen führt dazu, dass die Strukturen bestimmter Proteine in den kleinsten Muskelzellen (Myofibrillen) durcheinander geraten. Bis heute lassen sich sechs verschiedene Varianten dieser Veränderungen im Gentest nachweisen.

P2, P3, P4, P8, Px und K1 – diese sechs Genveränderungen können in verschiedenen Kombinationen auftreten. Liegen Defekte gleich auf mehreren Genen vor, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass das Pferd Symptome zeigt. Laut Stand heute werden zurzeit auch mögliche weitere Varianten (P5 /P6) erforscht.

Das Ergebnis des Gentestes meiner Stute Royal Angel bei generatio.de vom März 2022. Reinerbig Px/Px und mischerbig n/P2

Von der Stute geerbt oder vom Hengst?

Bei Mutationen ist es wichtig, ob das neue, veränderte Merkmal von einem Elterntier weitergegeben wird oder von beiden. Sind beide Träger des mutierten Gens, z. B. P2/P2 nennt man das reinerbig oder homozygot. Hat das Pferd das Gen nur von einem Elternteil mitbekommen, also von Stute oder Hengst, z. B. n/P2, spricht man von mischerbig oder heterozygot. Bei reinerbigen Merkmalen können Symptome früher und stärker auftauchen. Auf einen Zuchteinsatz sollte hier besser verzichtet werden, da die Mutation zu 100% an die nächste Generation weitergeben wird.

Wie wird PSSM2 vererbt?

Beispiel 1:

Anpaarung aus einem Elterntier mischerbig n/P und einem Elterntier n/n gesund

Ergebnis: 50% der Nachkommen haben keine Anlage für PSSM2. 50% haben ein Risiko, PSSM2 Symptome zu entwickeln.

Beispiel 2:

Anpaarung aus einem Eltertier reinerbig P/P belastet und einem Elterntier n/n gesund

Ergebnis: 100% der Nachkommen haben eine Anlage für PSSM2 und tragen somit das Risiko irgendwann Symptome zu entwickeln.

Beispiel 3:

Anpaarung aus einem Pferd reinerbig P/P und ein Elterntier n/P mischerbig

Ergebnis: 100% der Nachkommen haben eine Anlage für PSSM2. Bei 50% ist das Risiko zu erkranken sehr hoch. Bei 50% besteht die Möglichkeit dazu.
 

Was passiert in den Muskelzellen?

Bei der genauen Untersuchung der Muskelzellen von Pferden mit PSSM2 unter dem Elektronenmikroskop stellten die Forscher: innen fest, dass bestimmte Proteine, die die kleinsten Muskelzellen organisieren (Sarkomere), in den Zellen durcheinandergeraten waren. Sarkomere sind für die Kontraktionsfähigkeit der Muskulatur zuständig. Fehlen in diesen kleinsten Strukturen bestimmte Proteine, wird die Funktion der Z-Scheiben beeinträchtigt. Die Zelle wird instabil. Es handelt sich also bei PSSM2 um eine myofibrilläre Myopathie (MFM).

Aufbau des Skelettmuskels
Skelettmuskeln sind hierarchisch aufgebaut. Jede Ebene ist von einer Bindegewebsstruktur umgeben. Muskel – Muskelfaserbündel – Muskelfaser – Myofibrille – Sarkomer

Diese Muskelerkrankung führt zu ähnlichen Symptomen wie PPSM1; hat aber andere Auslöser. Die Pferde bauen – trotz Training und guter Fütterung – Muskulatur ab.

Warmblüter mit PSSM2, bzw. myofibrillärer Myopathie (MFM) entwickeln sich in der Regel in der Ausbildung normal. Im Alter von sechs bis acht Jahren können die ersten Symptome auftreten. Sehr häufig kommt es durch den Stress beim Anreiten, beim Verkauf oder Umzug in einen neuen Stall zu einem ersten Schub. Die Pferde zeigen plötzlich eine sogenannte Trainingsintoleranz. Sie werden ohne ersichtlichen Grund unwilliger und steifer, bis hin zur totalen Verweigerung der reiterlichen Hilfen. Wesensveränderung, Sattelzwang, schlechte Bemuskelung, explosives oder depressives Verhalten können Ausdruck der Erkrankung sein. Bisweilen treten wiederkehrende, unklare Lahmheiten auf. Mehr dazu unter PSSM2 Symptome.

Die Abkürzungen im Überblick

PSSM 1Polysaccharid-Speicher-Myopathie Typ 1: Angeborene Störung im Kohlenhydrat-Stoffwechsel durch Mutation des Gens GYS1. Tritt überwiegend bei Quarter Horse, Paint Horse und Appaloosa auf.
EPSMEquine Polysaccharid-Speicher-Myopathie: Der Oberbegriff für verschiedene Formen von genetisch bedingten Myopathien beim Pferd. Also Muskelstoffwechselstörungen wie PSSM1 und PSSM2.
PSSM2 bzw. MFMPolysaccharid-Speicher-Myopathie Typ 2: Im Prinzip ist diese Bezeichnung nicht ganz korrekt, da hier keine Zuckerspeicher-Erkrankung vorliegt, sondern eine Veränderung in den Muskelfibrillen, den kleinsten Funktionseinheiten der Muskeln. Daher auch die Bezeichnung Myofibrilläre Myopathie (MFM).
Die Stoffwechselstörung der Muskelzellen führt zu strukturellen Fehlern in den Zellen, die Muskelabbau, -risse, -krämpfe und Schmerzen verursachen. Um diese zu beheben und zu reparieren, braucht der Körper große Mengen an Eiweiß und Antioxidantien. Typ 2 tritt bei allen Pferderassen auf, häufig bei leistungsorientieren Blutlinien.
RERRecurrent Exertional Rhabdomyolysis (RER): Die Übersetzung dieses klinischen Begriffes lautet: wiederkehrender, belastungsbedingter Muskelzellzerfall. Kreuzverschlag ähnliche Symptome oder Tying-up ist eine Variante von PSSM2. Die Variante Px wird oft mit diesen Symptomen in Verbindung gebracht. Bei Px-Pferden ist die Kalziumregulierung innerhalb der Muskelzellen gestört, also Regulierung von Muskelkontraktion und Muskelentspannung. Es wird eine Anomalie im Inneren der Zellen (Ionenkanäle) als Ursache vermutet. Sie führt zu Schmerzen, Steifheit, Zittern und starkem Schwitzen. Bei einem akuten Schub können die Blutwerte der Kreatinkinase (CK) und der Aspartat-Aminotransferase (AST) erhöht sein.